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Zum Zitat eines retuschierten Bildes - weitere Entscheidung des OGH zum Zitatrecht des § 42f UrhG mit wichtigen Klarstellungen


12.10.2020

OGH 22.04.2020, 4 Ob 16/20m

Im Jahr 2018 wurde auf Facebook ein Foto veröffentlich. Es zeigte den Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) im Gespräch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an einem Tisch in einer Gaststube. Im Hintergrund des Fotos war (an der Wand der Gaststube) das Bild einer rauchenden Frau zu sehen.  Das Posting mit dem ursprüngliche Foto der zwei Politiker wurde auf dem Social-Media-Auftritt des Vorarlberger Landeshauptmannes kurz darauf gelöscht und durch ein Posting ersetzt, in dem dasselbe Foto zu sehen war, allerdings ohne das Bild der rauchenden Frau an der Wand im Hintergrund – das Bild wurde durch ein – offensichtlich als situativ angemessener empfundenes – Bild einer Alpenlandschaft ersetzt. Über diesen Vorgang (also: die Änderung des Hintergrundbildes an sich in ein unverfänglicheres Bild) wurde in führenden Medien berichtet.

Auch der SPÖ-Parlamentsklub illustrierte im Jahr 2018 einen Bericht über diese wahrgenommene „Message Control“ des politischen Gegners mit der Gegenüberstellung der zwei Fotos – einmal mit rauchender Frau im Hintergrund, einmal mit Alpenlandschaft.

Der Hersteller des im Hintergrund eingefügten Lichtbilds (des Alpenmotivs) beauftragte den Rechtsschutzverband der Fotografen Österreichs mit der Klagsführung gegen den Parlamentsklub der SPÖ, gerichtet auf die Zahlung von angemessenem Entgelt und die Unterlassung der Veröffentlichung ohne Werknutzungsbewilligung und/oder ohne Herstellerbezeichnung, sowie Urteilsveröffentlichung.

Der Parlamentsklub der SPÖ berief sich auf das Zitatrecht des § 42f UrhG. Der Hersteller des Lichtbildes mit dem Alpenmotiv sei nicht bekannt gewesen und auch auf dem zitierten Foto der zwei Politiker nicht erkennbar gewesen. Die freie Werknutzung des § 42f UrhG sehe vor, dass ein veröffentlichtes Werk zum Zweck des Zitats genutzt werden darf, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den Zitatzweck gerechtfertigt ist. Dies läge hier vor.

Grundsätzlich stimmt dies auch: wenn

  • einem Lichtbild im Rahmen einer Berichterstattung Zitat- und Belegfunktion zukommt,
  • dieser Zweck nicht auch anders (etwa durch eine Darstellung mit Worten oder durch die Einholung einer Zustimmung des Rechteinhabers) erreicht werden kann, und
  • die wirtschaftlichen Interessen des Rechteinhabers nicht unzumutbar beeinträchtigt werden,

kann die Nutzung des Lichtbildes „als Zitat“ auch ohne Einwilligung des Rechteinhabers zulässig sein. Dabei muss aber grundsätzlich eine Quellenangabe, einschließlich der Angabe des Namens des Urhebers bzw. Herstellers vorzunehmen, sofern dies nicht unmöglich ist.[1]

Das Erstgericht gab dem Begehren des Rechtsschutzverbandes auf Zahlung von angemessenem Entgelt und die Unterlassung der Veröffentlichung statt, das Berufungsgericht aber das Klagebegehren unter Berufung auf eine vorhergehende Entscheidung des OGH zum Zitatrecht[2] ab, erklärte die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof jedoch für zulässig.

In bisherigen Entscheidungen zum Zitatrecht in Bezug auf Fotografien ging als Kläger in aller Regel der Fotograph gegen denjenigen als Beklagten vor, der die Fotografie im Wege eines Zitats übernahm. Hier aber klagte ein Fotograf, dessen Foto (das Alpenmotiv) in das Foto der zwei Politiker eingefügt worden war, das anschließend als Posting veröffentlicht wurde, und erst dann in einem weiteren Schritt in der Berichterstattung des SPÖ Parlamentsklubs veröffentlicht wurde, den Zitierenden (hier den SPÖ Parlamentsklub). Es war für das Berufungsgericht fraglich, ob auch in dieser besonderen Konstellation die bisher vom OGH aufgestellten Grundsätze zum Zitatrecht anzuwenden seien.

Der OGH kam in seiner Entscheidung vom 22.04.2020 zum Ergebnis, dass auch im gegenständlichen Fall die bisher aufgestellten Grundsätze zum Zitatrecht zur Anwendung kommen. Es ginge im gegenständlichen Sachverhalts um die Kritik an einem politischen Mitbewerber, „der zwecks Optimierung der medialen Darstellung seiner Repräsentationen eine Foto-Retusche vornahm“. Daher käme dem veröffentlichten Lichtbild mit dem nachträglich eingefügten Alpenmotiv eine Zitat-und Belegfunktion in Bezug auf die erfolgte Retusche des Originalfotos zu.

Auch wäre eine Zustimmung zur Bildveröffentlichung weder seitens des Rechteinhabers am retuschierten Foto der zwei Politiker, noch seitens des Inhabers der Rechte am Alpenmotiv wahrscheinlich gewesen. Daher sei die Nutzung des Alpenmotiv-Fotos zulässigerweise im Rahmen eines Zitats erfolgt.

Der OGH hielt auch überzeugend fest, dass es keinen Unterschied macht, ob der Rechteinhaber des Alpenmotivs selbst an der Retusche des Politikerbildes mitwirke. Auch wäre weder behauptet noch bewiesen worden, dass es dem SPÖ-Parlamentsklub vor der Veröffentlichung des gegenständlichen Alpenmotivs möglich gewesen wäre, vom Namen des Lichtbildherstellers Kenntnis zu erlangen. Deswegen wäre auch die Unterlassung der Herstellerbezeichnung in Bezug auf das Alpenmotiv keine Rechtsverletzung.

Dieser Entscheidung des OGH ist zuzustimmen. § 42f UrhG soll einen Ausgleich zwischen dem Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit des Zitierenden und dem Urheberrecht des Zitierten schaffen. Es wäre eine unerträgliche Einschränkung der Meinungsfreiheit, müsste man auf ein Bildzitat schon deshalb verzichten, weil darin weitere Bildelemente eingefügt wurden, deren Hersteller bzw. Urheber unbekannt ist bzw. deren Zustimmung zur Nutzung nicht eingeholt werden kann. Insbesondere dann, wenn es um Darstellungen von Bildmanipulationen im politischen Meinungsbildungsprozess geht, muss es möglich sein, als Beleg sowohl das Originalbild als auch das manipulierte Bild im Rahmen eines Zitats anzuführen. Dadurch werden die Urheberrechte an den zur Manipulation herangezogenen Bildelemente nicht über die Maßen eingeschränkt.

Diese Entscheidung (in Zusammenschau mit den seit der Neufassung des Zitatrechts im Jahr 2015[3] ergangenen Entscheidungen zu § 42f UrhG) zeigt aber auch, welche Herausforderungen die Auslegung der urheberrechtlichen Bestimmungen für Medien, Fotografen und nicht zuletzt Gerichte noch immer mit sich bringt.

 

[1] Mitterer/G.Korn in Kucsko/Handig (Hrsg), urheber.recht² (2017) § 42f Rz 38 mwN.

[2] OGH 22.08.2019, 4 Ob 53/19a, OGH 29.01.2019, 4 Ob 7/19m und grundlegend schon OGH 26.09.2017, 4 Ob 81/17s.

[3] Urheberrechts-Novelle 2015, BGBl I 2015/99.