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Zum Unterlassungsanspruch gegen beleidigende Briefe


08.05.2020

 

OGH 19.12.2019, 6 Ob 76/19y

Der Betreiber eines Cafés erhielt über einen Zeitraum von mehreren Jahren insgesamt 15 anonyme Briefe, in denen er und seine Eltern wüst beschimpft wurden. Diese Briefe wurden neben dem Betreiber des Cafés auch dessen Vater bekannt, der einige der Briefe las. Die Briefe wurden vom Betreiber auch mit einem Stammgast des Cafés besprochen.

Dem Betreiber des Cafés gelang es schließlich, die Absenderin der Briefe auszuforschen. Er klagte am Bezirksgericht Neumarkt auf Unterlassung der Beleidigung mittels anonymisierter Briefe sowie auf Schadenersatz wegen durch die Briefe bewirkter Schlafstörungen, mangelnder Lebensfreude und körperlichem Unwohlsein.

Das Bezirksgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Anspruch gemäß § 1330 Abs 1 ABGB (Ehrenbeleidigung) zu Recht bestand. Es sei die für eine Ehrenbeleidigung gemäß § 1330 Abs 1 ABGB erforderliche Mindestpublizität gegeben, da auch der Vater des Klägers die Briefe gelesen habe und der Kläger mit einem Stammgast über die Briefe gesprochen habe. Auch der begehrte Schadenersatz wurde zugesprochen.

Das Berufungsgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Es führte aus, dass die für eine Ehrenbeleidigung gemäß § 1330 Abs 1 ABGB erforderliche Mindestpublizität[1] nicht bestanden hätte. Es habe der Kläger die Briefe selbst einem Stammgast zugänglich gemacht. Auch ein Schadenersatzanspruch würde ausscheiden, weil der Kläger nicht dargelegt hätte, welcher Schaden ihm entstanden sei und insbesondere keinen Krankheitswert seiner Beeinträchtigungen behauptet habe. Es ließ aber eine Revision an den OGH zu. Die Frage der Mindestpublizität einer Ehrenbeleidigung gegenüber einem „überschaubaren Kollektiv“ (der Kläger und dessen Eltern) in der vorliegenden Form sei in der Rechtsprechung noch nicht behandelt worden sei. Auch sei die Frage, ob nicht etwa auch Ansprüche nach § 16 ABGB (eine „Zentralnorm“ des Zivilrechts, auf die auch Unterlassungsansprüche gegen Bildaufnahmen gestützt wurden[2]) und nach § 1328a ABGB (Eingriff in die Privatsphäre) gegeben gewesen wären, zu prüfen.

Der OGH kam zu dem Schluss, dass der Kläger die Unterlassung der inkriminierten Äußerungen nicht nur deswegen begehrt hatte, weil er dadurch im Sinne des § 1330 ABGB in seinem Kredit beeinträchtigt wurde, sondern auch, weil er sich in seiner Würde herabgesetzt fühlte. Er führte weiter aus, dass die Rechtsprechung in einer Vielzahl von Fällen eine Belästigung durch Telefonanrufe, E-Mails und SMS als rechtswidrig im Sinne der §§ 16 und 1328a ABGB beurteilt hatte. Daher wäre auch im gegenständlichen Fall von 15 beleidigenden Briefen ein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung der §§ 16 und § 1328a ABGB gerechtfertigt.

In Bezug auf das Zahlungsbegehren hielt der OGH fest, dass die festgestellten ideellen Schäden (Schlafstörungen) deshalb nicht ersatzfähig seien, weil eine „erhebliche Verletzung“ der Privatsphäre in der von § 1328a Abs 1 ABGB geforderten Intensität nicht vorläge.  Der OGH bestätigte somit die Abweisung des Zahlungsbegehrens und trug hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens dem Berufungsgericht eine Verfahrensergänzung auf.

Für die Praxis folgt daraus, dass der OGH in nunmehr ständiger Rechtsprechung einen Unterlassungsanspruch gegen die Zusendung beleidigender Briefe auf Basis der §§ 16, 1328a ABGB anerkennt. Durchgesetzt werden derartige Urteile sodann mit Unterlassungsexekution nach § 355 EO (Beugestrafen, etc). Immaterielle Schadenersatzansprüche billigt er jedoch dabei (entsprechend dem Wortlaut des § 1328a ABGB) nur dann zu, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung der Privatsphäre vorliegt. In der Zusendung auch mehrerer grob beleidigender Briefe sah der OGH noch keine derart erhebliche Verletzung der Privatsphäre. Nicht ausgeschlossen ist es aber auch nach dieser Rechtsprechung, bei tatsächlich vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen mit Krankheitswert, Schadenersatz auf Basis des § 1328a Abs 1 Satz 1 ABGB zu fordern.

 

 

[1] Vgl dazu auch OGH 30.10.2017, 6 Ob 249/16k.

[2] OGH 27.06.2019, 6 Ob 6/19d; OGH 17.02.2013, 6 Ob 256/12h.