Kolumne

Geben und Nehmen

30.11.2010

2010-11-30 - von Rechtsanwalt Dr. Stefan Lausegger (Kolumne)

Auch heuer beglückt uns der Gesetzgeber mit einem Sparpaket, das auf Grund ansonsten selten anzutreffender politischer Einigkeit nicht vor den Wahlen, sondern kurz vor Weihnachten geschnürt wurde. Vater Staat macht es uns dabei leicht, die Weihnachtsfeiertage selig zu erleben, können wir uns doch darauf freuen, ab kommendem Jahr um einiges mehr geben zu dürfen, während wir gleichzeitig viel weniger nehmen werden. Das ist schön, das macht uns froh und das Budget gesund. Folgende Neuerungen erwarten uns im Jahr 2011 voraussichtlich im Bereich des Rechtsstaates:

Das „Gerichtsjahr“ soll von 9 auf 5 Monate verkürzt werden (bei „maßvoller Absenkung des Ausbildungsbeitrages“ in die Nähe des Existenzminimums), dies auch, um eine „Besserung des Platzmangels an vielen Gerichten“ zu erreichen. Damit die verbleibenden Rechtspraktikanten nicht mit einer, durch das Budgetbegleitgesetz unveränderten, Menge an Rechtssuchenden konfrontiert werden, schränkt man die Möglichkeit des „Protokollaranbringens“ (vor allem am Amtstag) wesentlich ein: So soll im klassischen Zivilprozess „den Parteien das Verfassen einer Klage in Eigenverantwortung überlassen werden“. Damit verlagert man freilich die Arbeit auf den Richter: Langt eine unvollständige Klage ein, ist die unvertretene Partei nämlich zur Verbesserung anzuleiten.

Um aus der Justiz das Maximum herauszuholen, beabsichtigt man, die „verhandlungsfreie Zeit“ abzuschaffen (in der Richter bis dato Urteile fertigstellen und Aktenpflege betreiben konnten, und Einzelanwälte ihren Jahresurlaub verbrachten) - der Scheidungstermin am 27. Dezember wird in Zukunft kein Ding der Unmöglichkeit mehr sein. Wer ungerechtfertigte Haft verspürt (und bis dato bis zu € 100,00 pro Tag an „Haftentschädigung“ zugesprochen bekam), wird in Zukunft höchstens € 50,00 pro Tag verlangen können. Die Frist, einen Bescheid eines Sozialversicherungsträgers anzufechten (Stichwort: Invaliditätspension) soll verkürzt werden von drei Monaten auf (unerstreckbare!) vier Wochen, was angeblich nur der „Verfahrensvereinfachung“ dienen soll. Wer den Jahresabschluss nicht fristgerecht beim Firmenbuch hinterlegt, dem wird die Zwangsstrafe nicht mehr nur angedroht, nein, sie soll in Hinkunft sofort verhängt werden. Es gibt weiters eine Reihe von Gebührenerhöhungen im weitesten Sinn, und eine lang ersehnte Klarstellung: Dann, wenn eine Partei die elektronische Ablichtung aus einem Gerichtsakt selbst vornimmt (mit einem mobilen Scanner oder Handy etc) sind € 0,50 pro abfotografierter Seite zu entrichten. Die vom Gericht hergestellte Kopie kostet demgegenüber nach wie vor € 1,00.

Dies sind nur einige Beispiele aus einer Reihe fiskalpolitisch motivierter Änderungen des Rechtsystems, die uns zeigen: Ein Sparbudget kann nur funktionieren, wenn man dem Bürger nicht nur mehr wegnimmt, sondern auch weniger zurück gibt.

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