Vertretungskosten für Datenschutzbeschwerde als Schadenersatz ersatzfähig und vor den Zivilgerichten geltend zu machen
05.01.2022
Dass der Rechtschutz in datenschutzrechtlichen Angelegenheit ein zweispuriger ist (einmal besteht die Möglichkeit, sich mit einer Beschwerde an die Datenschutzbehörde zu wenden, weiters besteht die Möglichkeit, sich nach § 29 DSG an die Zivilgerichte zu wenden) ist bekannt. Problematisch ist, dass die verwaltungsrechtlichen Beschwerdeverfahren, die zunächst vor der Datenschutzbehörde, und dann allenfalls vor dem Bundesverwaltungsgericht (§ 27 DSG) bzw den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts zu führen sind, auf eigene Kosten geführt werden. Ein Kostenersatzanspruch besteht grundsätzlich nicht. Der Antragsteller, der schon durch eine Datenschutzverletzung beschwert ist, bleibt zunächst auf seinen Kosten sitzen, und zwar auch dann, wenn die Datenschutzbehörde oder das Bundesverwaltungsgericht eine Verletzung des Grundrechtes auf Datenschutz feststellen.
Nunmehr hat das Oberlandesgericht Linz jüngst (2 R 149/29a vom 10.11.2021) eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Der Sachverhalt ist schnell erklärt: Eine österreichische Bezirkshauptmannschaft hatte einen Bescheid erlassen betreffend einen behördlich angeordneten Zwangsabschuss von Habichten in einem genossenschaftlichen Jagdgebiet. Dieser Bescheid enthielt auch personenbezogene Daten der Vertreter der Jagdgesellschaft, nämlich insbesondere ihre Namen, Post- und E-Mail Adressen, sowie ihre Funktion (siehe den im Detail wiedergegebenen Sachverhalt im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes W258 2227120-2/4E vom 16.04.2020). Dieser Bescheid (den der Betreiber der Website aufgrund der einschlägigen Bestimmungen des Umweltinformationsgesetzes erhalten hatte) wurde im Volltext, auch zeigend diese personenbezogenen Daten, von einem Naturschützer im Internet veröffentlicht.
Ein Vertreter der Jagdgesellschaft wollte dies nicht, und beschwerte sich bei der Datenschutzbehörde über diese Veröffentlichung. Er störte sich dabei nicht an der Veröffentlichung des Bescheides an sich, sondern vertrat die Meinung, dass seine personenbezogenen Daten nicht vom freien Zugang zu Umweltinformationen umfasst seien, ihre Veröffentlichung sei daher an den datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu prüfen.
Die Datenschutzbehörde gab der Beschwerde statt. Die Offenbarung der Identität des Jägers wäre nicht gerechtfertigt, es bestünde keine allgemeine Verfügbarkeit der betreffenden Daten. Der Beschwerdeführer wäre daher in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden. Das Bundesverwaltungsgericht wurde zwar vom Betreiber der Website angerufen, bestätigte aber, dass der Bezirksjägermeister und Jagdleiter der Jagdgesellschaft in seinem Recht auf Datenschutz verletzt worden war. Das Bundesverwaltungsgericht gestand dem kritischen Websitebetreiber zwar zu, dass die personenbezogenen Informationen zwar ohnedies mittelbar über eine Recherche im Internet zusammen geführt werden könnten (indem man auf den Websites der Jagdgenossenschaft recherchiere und diese Informationen mit den Informationen der Website des Landesjagdverbandes zusammenführe). Dies ändere aber nichts daran, dass die Zulässigkeit der Verwendung von personenbezogenen Daten, enthalten in Informationen, die über einen Antrag nach dem Umweltinformationsgesetzes erteilt worden wären, von der Einhaltung der einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen abhänge. Es wäre eine Interessenabwägung nach § 1 Abs 2 DSG vorzunehmen. Diese schlage im vorliegenden Fall zu Gunsten des Jägers aus.
Soweit so gut – freilich: Der Jagdmeister hatte einen Betrag von € 1.649,34 für seine Vertretung im datenschutzbehördlichen Verfahren aufgewendet, über die mangels gesetzlicher Grundlage im verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht entschieden worden war. Er wandte sich nunmehr an das Landesgericht Wels, und begehrte den Ersatz dieser Kosten. Er sei in seinem Recht auf Datenschutz verletzt worden, der beklagte Betreiber der Website habe zumindest fahrlässig und daher schuldhaft und rechtswidrig gehandelt. Der Beklagte betreibe eine private Homepage, weswegen er nicht unter das Medienprivileg nach § 9 DSG falle und daher schadenersatzpflichtig sei. Art 82 DSGVO, der einer betroffenen Person, die einen Verstoß gegen die DSGVO erleide und welcher daher jeglicher materielle und immaterielle Schaden zu ersetzen sei, wäre Rechtsgrundlage für den Kostenersatzanspruch. Wenig überraschend bestritt der Beklagte diese Argumente, und brachte insbesondere vor, dass er ein ehrenamtliches Naturschutzorgan sei, dass das Medienprivileg des § 9 DSG Anwendung fände (Anm.: vereinfacht gesagt wird damit die Anwendung der DSGVO auf Medienunternehmen oder Mediendienste wesentlich eingeschränkt), und dass das Verwaltungsverfahren, in dem er lediglich eine vertretbare Rechtsauffassung geäußert habe, eben schlicht keinen Ersatz von Verfahrenskosten vorsehe.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Nach § 29 Abs 1 DSG und Art 82 DSGVO habe eine in ihren Rechten verletzte Person Anspruch auf Schadenersatz. Aufgrund der festgestellten rechtswidrigen Veröffentlichung der Daten des Klägers bestünde eine Ersatzpflicht des Beklagten, und weil sich der Beklagte im Verwaltungsverfahren nicht auf das Medienprivileg berufen habe, könne diese Frage auch dahingestellt bleiben. Auch das Oberlandesgericht Linz vertrat diese Rechtsmeinung. Die einschlägigen Regelungen der DSGVO und des DSG würden zwar nichts dazu aussagen, ob ein Verantwortlicher nach Art 4 Z 7 DSGVO, wie hier der Beklagte als Betreiber der Website, verwaltungsbehördliche Vertretungskosten aufgrund allgemeiner schadenersatzrechtlicher Grundlagen (§§ 1293ff ABGB) oder doch aufgrund spezieller Schadenersatzregelungen (Art 82 DSGVO) zu ersetzen habe. Das OLG Linz verwies zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach die selbstständige Geltendmachung von Verwaltungsverfahrenskosten im ordentlichen Rechtsweg zwar in aller Regel ausgeschlossen sei. Es bestünde aber die (hier wesentliche) Ausnahme, dass in Fällen eines sogenannten „Rettungsaufwandes“ sehr wohl ein Kostenersatz zustände. Als Rettungsaufwand werde demnach ein Aufwand definiert, der im Verwaltungsverfahren deswegen gemacht wurde, um eine Gefahr, insbesondere eine solche, die aufgrund von rechtswidrigen und schuldhaft falschen Angaben eines Dritten gegenüber der Verwaltungsbehörde droht, abzuwenden. Mit anderen Worten: Wenn im Verwaltungsverfahren vorsätzlich, oder doch zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht würden, und wenn dadurch einem anderen in diesem Verwaltungsverfahren ein „Rettungs-„ Aufwand entstehe (dabei kann es sich insbesondere um Anwaltskosten handeln), so sei dieser zu ersetzen. Dies wäre auch hier der Fall: Tragender Grund des Schadenersatzanspruches wäre der Verstoß gegen das Datenschutzrecht durch die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten des Klägers, dessen Beseitigung der Betreiber der Website verweigert habe. Dazu komme, dass sich der Beklagte im Verwaltungsverfahren nicht auf das Medienprivileg des § 9 DSG gestützt habe. Das Zivilgericht sei freilich an rechtskräftige Bescheide einer Verwaltungsbehörde gebunden, mit denen diese über eine für das Zivilgericht maßgebliche Vorfrage rechtskräftig entschieden hätten, dies selbst dann, wenn diese Bescheide fehlerhaft sein sollten.
Die Entscheidung ist von der Grundidee her zu begrüßen: ein Verantwortlicher, der eine betroffene Person in ihrem Recht auf Datenschutz verletzt, soll auch für den dadurch entstandenen Schaden haften.
Problematisch ist die (wiewohl im Einklang mit Rechtsprechung und Literatur geäußerte) Rechtsansicht, wonach die Zivilgerichte ungeachtet des doppelgleisigen Rechtschutzes der DSGVO an die Entscheidungen der Datenschutzbehörde und der übergeordneten Gerichte des öffentlichen Rechtes (uneingeschränkt) gebunden sein sollen, auch wenn ein wesentliches Thema (wie hier: die Frage der Anwendbarkeit des Medienprivilegs nach § 9 DSG) vor der Verwaltungsbehörde nicht erörtert worden ist. Die Lehre aus dieser Entscheidung ist jedenfalls, dass bereits in verwaltungsbehördlichen Datenschutzverfahren im Zweifel alle Argumente umfangreich darzulegen sind, da sich an das datenschutzrechtliche Verwaltungsverfahren ein schadenersatzrechtliches Zivilverfahren anschließen kann.