Update: Vertragsstrafen und Corona
09.04.2020
Viele Verträge enthalten Vereinbarungen, wonach ein Vertragspartner einen bestimmten Betrag dann zu zahlen hat, wenn eine vertraglich vereinbarte Leistung von ihm nicht vertragsgemäß erbracht wird. Solche Beträge werden als „Pönale“ oder „Konventionalstrafe“ bezeichnet. Der vereinbarte Betrag ist dabei grundsätzlich unabhängig von einem eingetretenen Schaden zu bezahlen und soll einen zusätzlichen „Erfüllungsdruck“ bewirken – der Schuldner soll durch die Drohung einer Vertragsstrafe dazu angehalten werden, den Vertrag ordnungsgemäß zu erfüllen.
Es wird dabei zwischen verschuldensabhängigen und verschuldensabhängigen Vertragsstrafen unterschieden: bei einer verschuldensabhängigen Vertragsstrafe kommt diese nur zum Tragen, wenn der Schuldner die definierte Vertragsverletzung schuldhaft begangen hat, bei einer verschuldensunabhängigen Vertragsstrafe spielt das Verschulden hingegen keine Rolle.
Im Zweifel ist eine Vertragsstrafe als verschuldensabhängig anzusehen und werden die Umstände, die sich aus der Corona-Krise ergeben, in vielen Fällen bereits das Verschulden an der Vertragsverletzung, die mit einer Vertragsstrafe bedroht ist, entfallen lassen. Im Baugewerbe demgegenüber, wo das Instrument der Pönale ein ganz üblicher Bestandteil von Verträgen ist, wird jedoch in der Regel eine verschuldensunabhängige Pönale vereinbart, die also auch dann schlagend werden kann, wenn der Unternehmer für die Verzögerung nichts kann.
Darüber hinaus wurde Anfang April 2020 mit dem 4. COVID-19-Gesetz (BGBl I 24/2020) in Art 37 § 4 ein klarstellender „Ausschluss von Konventionalstrafen“ vorgesehen, der sowohl für verschuldensunabhängige als auch für verschuldensabhängige Vertragsstrafen vorsieht, dass ein Schuldner nicht verpflichtet ist, solche Vertragsstrafen zu zahlen, wenn er „in Verzug gerät, weil er als Folge der COVID-19-Pandemie entweder in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist oder die Leistung wegen der Beschränkungen des Erwerbslebens nicht erbringen kann“.
Diese Bestimmung stellt auf den ersten Blick eine erhebliche Erleichterung und Klarstellung für viele Unternehmer dar, die von Pönalen bedroht waren, wirft aber natürlich einige Auslegungsfragen auf: wann ist der Schuldner in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt? Wann ist es tatsächlich nicht möglich, eine Leistung zu erbringen und wann ist es nur unter (unwirtschaftlichen) erschwerten Umständen möglich? Die Erläuterungen zu dem Gesetzesvorschlag führen etwa als Beispiel die „faktische Beeinträchtigung des Baugeschehens [auf einer Baustelle] wegen des Gebots des „social distancing“ oder die Unmöglichkeit von Lieferungen wegen der pandemiebedingten Behinderung des zwischenstaatlichen Güterverkehrs an.[1] Zu beachten ist, dass die Verzögerung tatsächlich von der Pandemie verursacht worden sein muss, weswegen der Unternehmer, der von einer Konventionalstrafe bedroht ist, genauestens seine grundsätzliche Leistungsbereitschaft dokumentieren sollte, um diese im Streitfall vor Gericht nachweisen zu können.
Diese Bestimmung trat rückwirkend mit 16.03.2020 in Kraft und bezieht sich auf vor dem 01.04.2020 eingegangene Vertragsverhältnisse. Sie bietet Spielraum, um unter bestimmten Umständen die Zahlung von möglicherweise existenzbedrohenden Vertragsstrafen abzuwenden – Details werden aber wie so oft die Gerichte zu klären haben.
Wir sind gerne dazu bereit, Sie bei der Lösung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Coronakrise zu unterstützen, und Ihnen bei der Durchsetzung von Ansprüchen zu helfen. Wir verfolgen dabei die Interessen unserer Klienten nicht im Rahmen von Massenverfahren oder sogenannten Sammelklagen, sondern ausschließlich im Rahmen individueller Beratung. Der Grund dafür ist, dass unserer Erfahrung nach jeder Fall – in allenfalls entscheidenden Details – anders gelagert ist. Jeder Anspruch bedarf einer gesonderten Prüfung, einer Prüfung, die wir bei der Durchsetzung vieler gleichartiger (aber eben nicht gleicher!) Ansprüche nicht durchführen können.
Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss
[1] IA 403/A XXVII. GP, 41.