Unionsmarke mit Bezug auf Cannabis nicht eintragungsfähig wegen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung
19.12.2019
I. Das Gericht der Europäischen Union („EuG“) hat in einer kürzlich ergangenen Entscheidung (EuG 12.12.2019, T-683/18) die Zurückweisung der Anmeldung einer Unionsmarke durch das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) wegen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung bestätigt.
Das angemeldete Zeichen spielt durch die Verwendung der Wortfolge „CANNABIS STORE AMSTERDAM“ und die Darstellung von Cannabisblättern auf den Verkauf von Marihuana in den Niederlanden an. Beantragt wurde – von einer Italienerin – die Eintragung in den Klassen 30 (Bäckereiwaren, Schokolade, Speiseeis, Gewürze, etc.), 32 (Alkoholfreie Getränke, Bier, etc.) und 43 (Bewirtung von Gästen).
Das EuG stellte fest, dass bei gegenwärtigem Stand des Rechts der Konsum und die Verwendung von Cannabis oberhalb eines bestimmten THC-Gehalts in vielen Mitgliedsstaaten rechtswidrig sei, sowie dass derartige Vorschriften das Ziel der öffentlichen Gesundheit verfolgten. Nach Ansicht des Gerichtes wird mit dem gegenständlichen Zeichen zwangsläufig zum Kauf derartiger Waren und Dienstleistungen angeregt oder aber zumindest deren Konsum banalisiert („…that sign, […] encourages, implicitly but necessarily, the purchase of such goods and services or, at the very least, trivialises their consumption“).
II. Die Anwendung des hier vom EUIPO und dem EuG herangezogenen Eintragungshindernisses (Art 7 Abs 1 lit f UMV), das auch das nationale österreichischen Markenrecht kennt (§ 4 Abs 1 Z 7 MSchG), führte in der Vergangenheit immer wieder zu Diskussionen.[1] Auch in Bezug auf den Schutz von Mustern sind ähnliche Eintragungshindernisse vorgesehen (vgl § 1 Abs 1 MuSchG; Art 9 VO (EG) 6/2002).
Das EuG wies unter Berufung auf dieses Eintragungshindernis etwa die Eintragung der Wortmarke „Fack Ju Göthe“[2] zurück; die Eintragung der Wortmarke „FICKEN“ scheiterte in Österreich vor dem OGH[3], als Unionsmarke beim EuG[4], sie konnte allerdings in Deutschland erfolgreich durchgesetzt (und die Marke daher eingetragen) werden[5].
Die Rsp ist hier sowohl von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat, als auch teilweise innerhalb der Mitgliedstaaten nicht einheitlich. Der Tatbestand des Eintragungshindernisses der Sittenwidrigkeit wird folgerichtig auch in der Lehre als „relativ unkonturiert“ und „schwer vorhersehbar“ bezeichnet.[6]
III. Es ist hier wohl berechtigterweise die Frage aufzuwerfen, ob diese Bestimmungen im nationalen Recht und im Recht der europäischen Union noch eine Existenzberechtigung haben, dies insbesondere auch im Lichte eines Vergleichs mit anderen Möglichkeiten des Schutzes von Leistungen eines Unternehmens.
Es ist etwa für den urheberrechtlichen Schutz die Sittenwidrigkeit eines Werkes völlig irrelevant: auch Pornographie oder eine vorgetragene Beschimpfung eines ausländischen Staatspräsidenten sind ohne weiteres (solange der Urheber dabei kreative Entscheidungen treffen kann und seine Persönlichkeit zum Ausdruck bringt) als Werk zu qualifizieren und genießen urheberrechtlichen Schutz.
Ein vergleichbares Eintragungshindernis ist auch nicht für die Firma im Firmenbuch normiert (vgl § 17 ff UGB), auch der Titelschutz nach § 80 UrhG ist beispielsweise nicht abhängig von einer Konformität des geschützten Titels mit der öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten, ebensowenig wie ein Schutz etwa einer Etablissementbezeichnung nach § 9 UWG. Dies kann in Zusammenschau daher dazu führen, dass etwa ein vulgärer Titel eines Popsongs Titelschutz nach § 80 UrhG genießt, die Firma einer von den Mitgliedern der Band gegründeten Gesellschaft ins Firmenbuch eingetragen werden könnte, dieser auch als Unternehmensbezeichnung dieser Band Schutz nach § 9 UWG genießt, er aber nicht als Marke für die Dienstleistungen dieser Band registriert werden könnte.
VI. Ein interessantes Detail am Rande ist, dass vom EUIPO durchaus bereits Marken mit Bezug zu Cannabis eingetragen wurden, etwas die Wortbildmarke „#cannabissimehr“ unter anderem für „Pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel“ und „Pharmazeutische Beratung“, sowie „Cannabis Energy Drink“ unter anderem für „Alkoholfreie Getränke“, „Alkoholische Getränke“ und „andere Lifesytyle-Getränke und ähnliche Produkte“. Auch die Wortbildmarke „Cannabis Energy Drink“ (welche im Jahr 2011 eingetragen wurde) bildet ein klar erkennbares Cannabisblatt ab. Dies zeigt einmal mehr, dass keine einheitliche Praxis bei der Eintragung von Marken vorherrscht und man nicht von vorhandenen erfolgreichen Eintragungen (bei im Wesentlichen gleichartiger Rechtslage) auf die Zukunft schließen kann. Für die Praxis bleibt nur der Ratschlag, die Investition in die Anmeldung von möglicherweise „problematischen“ Marken sorgsam abzuwägen und andere Optionen zu prüfen.
[1] Haybäck, Zur Sittenwidrigkeit obszöner Markenanmeldungen, wbl 2018, 477.
[2] EuG 24.01.2018, T-60/17.
[3] OGH 03.05.2017, 4 Ob 62/17x.
[4] EuG 14.11.2013, T-52/13.
[5] BeckRS 2011, 21631.
[6] Borsky Anm zu OGH 03.05.2017, 4 Ob 62/17x MR 2017, 148.