Rechtslage für Verträge im Konsumentenbereich
10.12.2021
Am 01.01.2022 ändert sich die Rechtslage für Verträge im Konsumentenbereich ganz grundlegend. Das „Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz (GRUG)“ setzt die sogenannte „Warenkaufrichtlinie 2019/771 (WKRL)“ und die „Digitale-Inhalte-Richtlinie 2019/770 (DIRL)“ um. Diese Richtlinien folgen im Wesentlichen dem sogenannten „Vollharmonisierungsprinzip“ (die Richtlinienvorgaben sind also inhaltlich deckungsgleich in das österreichische Recht zu übernehmen), ein Abweichen von Unionsrecht ist nur in engen Grenze möglich. Anders als bei einer „Mindestharmonisierung“ dürfen Mitgliedstaaten auch nicht zu Gunsten von Verbrauchern vom unionsrechtlich vorgegebenen Schutzniveau abweichen. Der Nachteil dieses Prinzips ist eine sehr weitgehende Bindung an den Unionsgesetzgeber, der Vorteil eine unionsweit deckungsgleiche Umsetzung. Die Umsetzung erfolgte im Konsumentenschutzgesetz und durch die Erlassung eines neuen „Verbrauchergewährleistungsgesetzes (VGG)“.
Die neue Rechtslage ist auf Verträge anwendbar, die ab dem 01.01.2022 abgeschlossen werden, und gilt für Verbrauchergeschäfte über den Kauf von Waren oder über die Bereitstellung digitaler Leistungen, dies jeweils gegen Zahlung oder als Gegenleistung für die Hingabe von personenbezogenen Daten des Verbrauchers. Ausgenommen davon sind der Kauf lebender Tiere, nicht digitale Dienstleistungen, bestimmte elektronische Kommunikationsdienste sowie Gesundheits-, Glückspiel- und Finanzdienstleistungen (§ 2 VGG). Nach § 3 VGG kann zu Lasten des Verbrauchers nicht von der neuen Rechtslage abgewichen werden, als klassisches Konsumentenschutzrecht handelt es sich also um „relativ zwingendes Recht“.
Es wird ein neuer Mangelbegriff eingeführt, wonach (§ 4 VGG) ein Unternehmer gegenüber dem Konsumenten dafür Gewähr leisten muss, dass die dem Konsumenten übergebene Ware oder die bereitgestellte digitale Leistung die vertraglich vereinbarten Eigenschaften aufweist, sowie auch über die objektiv erforderlichen Eigenschaften verfügt. Darüber hinaus muss der Unternehmer auch dafür einstehen, dass eine allfällige Aktualisierungspflicht erfüllt wird. Wesentlich ist, dass unabhängig davon, ob die vertraglich vereinbarten Eigenschaften vorliegen (diese werden in § 5 VGG definiert) auch alle objektiv erforderlichen Eigenschaften (zusätzlich) dazu gegeben sein müssen – gemäß § 6 Abs 2 VGG müssen die gegenständlichen Waren oder digitalen Leistungen daher
- für jene Zwecke geeignet sein, für die sie „üblicherweise“ verwendet werden (§ 6 Abs 2 Ziffer 1 VGG),
- allfälligen Warenproben (§ 6 Abs 2 lit 2 VGG) bzw. gegebenenfalls allfälligen Testversionen entsprechen (§ 6 Abs 2 Z 3 VGG),
- mit jenem Zubehör ausgestattet zu sein, das vernünftigerweise erwartet werden kann (§ 6 Abs 2 Z 4 VGG), und
- in Ansehung ihrer Menge, Qualität, Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität, Zugänglichkeit, Kontinuität, Sicherheit und sonstiger Merkmale dem entsprechen, das bei derartigen Waren oder digitalen Leistungen üblich ist, und/oder vom Verbraucher vernünftigerweise erwartet werden kann (§ 6 Abs 2 Z 5 VGG).
Damit geht das nunmehrige Verbrauchergewährleistungsrecht weit über den allgemeinen Mängelbegriff des ABGB hinaus, wonach eine Sache dann mangelhaft ist, wenn sie nicht dem Vertrag entspricht, also nicht die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat (§ 922 ABGB).
Weiters wird die Vermutung der Mangelhaftigkeit im Übergabe- bzw Bereitstellungszeitpunkt auf die Dauer von einem Jahr verlängert, bei kontinuierlichen digitalen Leistungen trägt der Unternehmer überhaupt die Beweislast für die Mängelfreiheit während des gesamten „Bereitstellungszeitraums“. In Zusammenschau mit der neu eingeführten Aktualisierungspflicht des § 7 VGG, nach der der Unternehmer auch jene Aktualisierungen durchführen muss, die notwendig sind, „damit die Ware oder die digitale Leistung weiterhin dem Vertrag entspricht“, ist darin eine wesentliche Ausweitung der unternehmerischen Pflichten zu sehen.
Als Gewährleistungsbehelf wird dem Unternehmer auch in der Zukunft zunächst die Möglichkeit zustehen, den Mangel zu beheben (also den mangelfreien Zustand herzustellen), wobei nunmehr aber erstmals der Verbraucher zwischen (den primären „Behelfen“) Verbesserung oder Austausch wählen können soll, wenn es um Waren geht. Bei der Bereitstellung digitaler Leistungen dem gegenüber soll der Unternehmer entscheiden, wie er Gewähr leistet.
Die Gewährleistungsfrist wird auch von ihrer Konzeption her grundlegend geändert, und wird nunmehr als Zeitraum definiert, während dem der Mangel „hervorkommen“ muss. Sie soll im Regelungsbereich des Gesetzes zwei Jahre betragen (bzw bei fortlaufenden digitalen Leistungen den gesamten Bereitstellungszeitraum umfassen!), wobei sich an die Gewährleistungsfrist (und auch dies ist neu) nunmehr eine 3-monatige Verjährungsfrist anschließt, binnen derer entweder eine Klage oder (wenn der Unternehmer den Kaufpreis bereits gerichtlich geltend gemacht hat) die einredeweise Geltendmachung durch Anzeige an den Unternehmer erfolgen muss. Auch im allgemeinen Gewährleistungsrecht wird das in Hinkunft gelten, weswegen es zu einer Verlängerung der Rechtsbehelfe zu Gunsten von Verbrauchern kommen wird.
Das neue Verbrauchergewährleistungsrecht ist unionsrechtlich determiniert, und bringt eine wesentliche Verbesserung der Rechtsstellung von Konsumenten. Auf Grund der Neuartigkeit der Konzepte (insbesondere, was den Mangelbegriff begrifft), wird es zu einer Vielzahl von Gerichtsentscheidungen kommen müssen, die sich mit den neuen Konsumentenrechten befassen, um offene Auslegungsfragen zu klären.