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OGH zur Neuheit eines Patents


18.08.2021

Patente werden (anders als dies im Urheberrecht der Fall ist) nicht durch die Erfindung an sich geschaffen, sondern vielmehr durch einen Hoheitsakt. Die Erteilung des Patentes (durch das Patentamt) an sich schafft das gewerbliche Schutzrecht, das zeitlich limitiert ist, und dem Erfinder (oder dem Patentinhaber) das Recht gibt, jeden Dritten von der Nutzung der Erfindung auszuschließen. 

Als ein derartiges Ausschließlichkeitsrecht knüpft das Patentgesetz an die Erteilung des Patentes aber strenge Voraussetzungen: einerseits muss es sich um eine technische Erfindung handeln, es besteht ein Erfordernis der „Technizität“, die Erfindung muss also ein technisches Problem mit technischen Mitteln lösen. Weiters muss die Erfindung „neu“ sein. Sie darf also nicht zum Stand der Technik (§ 3 Abs 1 Patentgesetz) gehören, worunter alles zu verstehen ist, was der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benützung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist. Es ist dabei egal, ob der Erfinder weiß, dass seine Erfindung (nicht) neu ist, und wird die Neuheit auch weltweit beurteilt, weswegen einerlei ist, wo bereits eine öffentliche Handlung stattgefunden hat. Es muss darüber hinaus eine „erfinderische Höhe“ gegeben sein, was bedeutet, dass auch für den Fachmann sich die Erfindung nicht naheliegenderweise aus dem Stand der Technik ergeben darf. Schließlich muss eine Erfindung auch gewerblich anwendbar sein, sie muss also auf irgendeine Art und Weise hergestellt und/oder benützt werden können. 

Im vom OGH entschiedenen Fall (4 Ob 220/20m vom 05.07.2021) war im Jahr 2015 ein Patent betreffend die Bearbeitung von zumindest zwei Werkstücken auf einem drehbaren Werkstückträger angemeldet worden. Bereits seit dem Jahr 2009 wurde eine derartige Maschine in der Produktionshalle des Unternehmens verwendet, auch wurden Führungen für Schulklassen veranstaltet, Besucher der Geschäftsleitung, Werkzeugtechniker und Monteure hatten direkten Einblick in die Maschine. Im Jahr 2015 wurde ein Patent auf die Erfindung angemeldet, und ein Wettbewerber beantragte die Nichtigerklärung des Patents. Im Wesentlichen wurde eingewandt, es mangle der Erfindung an Neuheit, sie wäre vorbekannt. 

Die Nichtigkeitsabteilung des Patentamtes gab dem Antrag teilweise statt, und erklärte einen von fünfzehn Patentansprüchen für nichtig, die restlichen vierzehn aber hielt sie aufrecht, diese seien neu und erfinderisch und auch ausführbar. Das Berufungsgericht, an das sich der Wettbewerber in der Folge wandte (das Oberlandesgericht Wien) erklärte das gesamte „Streitpatent“ für nichtig. Die Maschine sei der Öffentlichkeit durch Besuche im Unternehmen bekannt geworden, Geschäftspartner, potentielle Kunden und Monteure hätten die Maschine gesehen, und das zum Einsatz kommende Verfahren erkennen und verstehen können. 

Der OGH schloss sich der Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes Wien an. Auch er war der Ansicht, dass im vorliegenden Fall ein „Zugänglichmachen“ im Sinne des § 3 Abs 1 PatG gegeben sei. Ein derartiges Zugänglichmachen läge dann vor, wenn ein beliebiger Fachmann den Inhalt der technischen Information erkennen, verstehen, und an andere Fachleute weitergeben könne. Auch die Unterrichtung einzelner Personen begründe unter gewissen Umständen ein Zugänglichmachen für die Öffentlichkeit, diese wäre bereits dann gegeben, wenn für den nicht beschränkten Personenkreis eine nicht entfernt liegende, daher nicht bloß theoretische, Möglichkeit der Kenntnisnahme der patentierten Erfindung bestünde. 

Weil im vorliegenden Fall die Antragstellerin des Patentes nicht beweisen konnte, dass all jene Personen, die die Maschine bereits vor Patentierung gesehen hatten, einer Geheimhaltungspflicht unterworfen waren, wäre im vorliegenden Fall ein Zugänglichmachen an die Öffentlichkeit gegeben. Es wäre gerade nicht eine Geheimhaltung mit all jenen vereinbart worden, die die Maschine gesehen hätten, sondern ganz im Gegenteil zumindest in Einzelfällen auch eine „Leistungsschau“ für die Kunden der Geschäftsleitung veranstaltet worden. Die Verbreitung der Erfindung war für niemanden mehr kontrollierbar, daher war die patentierte Erfindung vor deren Anmeldung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden im Sinne des Gesetzes – und deswegen nicht mehr neu und nicht mehr patentierbar. 

Ein Praxistipp für Erfinder ist daher, sich jedenfalls sehr zeitnah an einen Patentanwalt zu wenden (der anders als der Rechtsanwalt als Fachmann, der in aller Regel nur über eine juristische Ausbildung verfügt, auch die technische Seite der Erfindung abschließend beurteilen kann), sobald die Möglichkeit im Raum steht, dass eine patentierbare Erfindung vorliegen könnte. Jedenfalls sollte tunlichst vermieden werden, Dritten, die gegenüber dem mutmaßlichen Erfinder nicht zur Geheimhaltung verpflichtet sind, Kenntnis von der Erfindung zu verschaffen, da es ansonsten an der Voraussetzung der „Neuheit“ für die Erteilung eines Patentes mangeln könnte. Es gilt also auch hier: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.