Ist die Corona-Pandemie ein Versicherungsfall in der Betriebsunterbrechungsversicherung?
06.04.2020
Viele Unternehmer, die derzeit in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie ihren Betrieb schließen mussten, verfügen über eine Betriebsunterbrechungsversicherung und stehen nun vor der Frage, ob diese die entstandenen Umsatzeinbußen abdeckt.
Die Betriebsunterbrechungsversicherung ist eine Sachversicherung, bei der der Betrieb, nicht aber die Person des Betriebsinhabers versichert ist (ständige Rechtsprechung seit 7 Ob 22/90 vom 28.06.1990)[1]. Derartige Polizzen versichern grundsätzlich den Ertragsausfall, der sich aus einer Beeinträchtigung oder Unterbrechung eines Betriebes ergibt – es ist aber im Einzelfall zu prüfen, welches Risiko tatsächlich von einer bestimmten Polizze abgedeckt wird und ob die konkrete Betriebsunterbrechung oder -beeinträchtigung darunterfällt. Letztendlich kommt es dabei auf den Inhalt der individuellen konkreten Polizze an und ist diese genau zu prüfen, wobei sich die Vertragsbestimmungen verschiedener Versicherer teilweise erheblich unterscheiden. Generelle Aussagen lassen sich nicht in seriöser Weise treffen.
Jedenfalls zu beachten ist aber, dass der Versicherungsnehmer grundsätzlich verpflichtet ist, im Versicherungsfall soweit wie möglich für die Minderung des eingetretenen Schadens zu sorgen. Dazu hat der Versicherungsnehmer im Regelfall auch Weisungen des Versicherers einzuholen. Ein Verstoß gegen diese Obliegenheit kann zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führen. Besteht für den Betriebsinhaber also etwa die (auch nur theoretische) Möglichkeit, Ansprüche nach dem Epidemiegesetz[2] geltend zu machen (etwa weil der Betrieb aufgrund einer konkreten behördlichen Anordnung geschlossen wurde, weil einzelne Mitarbeiter im Sinne des § 7 Epidemiegesetz „abgesondert“ wurden, oder Umsatzeinbußen auf Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 Epidemiegesetz zurückzuführen sind), so sind solche Entschädigungen jedenfalls zu beantragen (und ist dafür die relativ kurze Frist von 6 Wochen für die Antragstellung zu beachten!).
Freilich sind viele der derzeit erfolgten Betriebsschließungen und -beeinträchtigungen nicht auf Maßnahmen auf Basis des Epidemiegesetzes zurückzuführen, sondern auf Verordnungen auf Basis des COVID-19-Maßnahmengesetzes[3], mit denen unter anderem Kunden das Betreten von Betriebsstätten untersagt wurde und ein (mit Ausnahmen versehenes) allgemeines Betretungsverbot von öffentlichen Orten verhängt wurde. In diesen Verordnungen wurde für die dadurch bewirkten Einbußen kein Anspruch auf Entschädigung vorgesehen.
Aber auch die Inanspruchnahme anderer vom Gesetzgeber in Reaktion auf die Covid-19-Pandemie geschaffener Unterstützungsmaßnahmen kann aufgrund der Schadensminderungsobliegenheit notwendig sein: Anträge auf Unterstützung aus dem Härtefallfonds, auf Zuschüsse aus dem Corona Hilfs-Fonds, die Beantragung von Kurzarbeit für Mitarbeiter, etc.
Zusammenfassend: Die Deckungsprüfung hat fallbezogen zu erfolgen und ist nicht einfach. Zu beurteilen ist, auf Basis welcher behördlichen Maßnahmen es zur Schließung kam, und welchen Wortlaut die jeweiligen Versicherungsbedingungen haben. Im Hinterkopf sind zu behalten Karenzzeiten ebenso, wie die erwartbare Argumentation, dass (grundsätzlich gedeckte) Ausfälle nicht ersetzt werden,[4] die auch dann entstanden wären, wenn eine konkrete Betriebsschließung nicht behördlich angeordnet bzw. durch behördliche Maßnahmen verursacht worden wäre. Im Ernstfall hilft nur als letztes Mittel die Klage gegen die Versicherung, die freilich gut vorbereitet sein will.
Jedenfalls sollte ehestmöglich Kontakt mit dem Versicherer aufgenommen werden und ein Einvernehmen darüber hergestellt werden, welche Maßnahmen vom Versicherungsnehmer zu ergreifen sind, um dem Einwand der Verletzung von Schadensminderungsobliegenheiten zuvorzukommen.
Wir sind gerne dazu bereit, Sie bei der Lösung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Coronakrise zu unterstützen, und Ihnen bei der Durchsetzung von Ansprüchen zu helfen. Wir verfolgen dabei die Interessen unserer Klienten nicht im Rahmen von Massenverfahren oder sogenannten Sammelklagen, sondern ausschließlich im Rahmen individueller Beratung. Der Grund dafür ist, dass unserer Erfahrung nach jeder Fall – in allenfalls entscheidenden Details – anders gelagert ist. Jeder Anspruch bedarf einer gesonderten Prüfung, einer Prüfung, die wir bei der Durchsetzung vieler gleichartiger (aber eben nicht gleicher!) Ansprüche nicht durchführen können.
Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss
[1] Zuletzt OGH 24.04.2019, 7 Ob 49/19k.
[2] Epidemiegesetz 1950, BGBl 186/1950 idF I 23/2020.
[3] Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19 Maßnahmengesetz), BGBl. I Nr. 12/2020.
[4] OGH 7 Ob 49/19k: „Der Ersatzbetrag richtet sich daher mangels entsprechender Vereinbarung in solchen Fällen nach dem tatsächlich nicht erwirtschafteten Deckungsbeitrag.“