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Entschädigungen für Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz


15.04.2020

§ 32 Epidemiegesetz[1] besagt:

„Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

  1. sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder
  2. ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder
  3. ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder
  4. sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder
  5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder
  6. sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder
  7. sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind,

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.“

 

Viele, wenn nicht alle, von der Covid-19-Pandemie betroffene Unternehmer fragen sich, ob sie Entschädigungsansprüche gegen den Staat erheben können, oder nicht. Es handelt sich dabei freilich um eine Frage, die nur im Einzelfall, und auf Grundlage der jeweils maßgeblichen Gesetze, Verordnungen und Bescheide beantwortet werden kann:

I. Das Vorgehen der Bundesregierung und des Gesetzgebers

Bereits mit den ersten Maßnahmen,die im März 2020 bundesweit gesetzt wurden, um auf die Covid-19-Pandemie zu reagieren, entstand bei vielen JuristInnen der Eindruck, dass nach Möglichkeit Entschädigungen für geschlossene bzw. eingeschränkte Betriebe, die grundsätzlich (noch immer) im Epidemiegesetz vorgesehen sind, vermieden werden sollten.

§ 32 Epidemiegesetz sieht eine „Vergütung für den Verdienstentgang“ von (natürlichen und juristischen) Personen vor, denen aufgrund bestimmter Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz ein Vermögensnachteil entstanden ist. Zu derartigen Maßnahmen gehören unter anderem die Beschränkung von Betrieben und Verkehrsbeschränkungen in Bezug auf Ortschaften. Bereits Ende Februar 2020 wurde diesbezüglich vom Bundesminister für Gesundheit ausdrücklich verordnet, dass Betriebsschließungen und Beschränkungen nach § 20 Epidemiegesetz auch bei Auftreten von Infektionen mit SARS-CoV-2 getroffen werden konnten.[2]

Die Bezirksverwaltungsbehörden (vor allem in Tirol) nutzten diese Möglichkeit ursprünglich auch und verordneten auf Basis des Epidemiegesetzes (neben anderen Maßnahmen) weitgehend die Schließung von Gastgewerbe- und Beherbergungsbetrieben.[3]

Kurz darauf wurde die Möglichkeit zur Betriebsschließung nach dem Epidemiegesetz insofern „ausgehebelt“, als mittels des ersten COVID-19-Maßnahmengesetzes[4],  die Möglichkeit geschaffen wurde, mittels Verordnung das Betreten von Betriebstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen zu untersagen und in § 4 des COVID-19-Maßnahmengesetzes festgehalten wurde, dass die Bestimmungen des Epidemiegesetzes betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung gelangen, wenn der Bundesmister für Gesundheit auf Basis des ersten COVID-19-Maßnahmengesetzes eine Verordnung erlassen hat.[5]

Mittels einer Verordnung des Bundesministers für Gesundheit[6] wurde dann „das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben“ sowie das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe und das Betreten von Beherbergungsbetrieben zum Zweck der Erholung und Freizeitgestaltung bundesweit untersagt.

Trotz zahlreicher Ausnahmen (etwa für Apotheken, Tankstellen, Trafiken, den Verkauf von Tierfutter, etc.) wurde damit für die meisten Betriebe die Weiterführung des Geschäftsbetriebes faktisch sinnlos, da Kunden den Betrieb nicht mehr betreten durften, freilich ohne, dass für die dadurch bewirkten Umsatzeinbußen eine Entschädigung vorgesehen wurde.

Statt eines detaillierten konkreten Anspruches auf Entschädigung nach dem Epidemiegesetz, oder allenfalls dem COVID-19-Maßnahmengesetz, wurde vielmehr eine Vielzahl von Maßnahmen gesetzt, die allgemein wirtschaftliche Einbußen im Zuge der Covid-19-Pandemie abfedern sollen (Corona-Hilfs-Fonds, Härtefallfonds, etc.), was in aller Regeln keinen gleichwertigen Ersatz darstellen dürfte.

II. Die Frage der Verfassungskonformität dieses Vorgehens

Ob das oben beschriebene Vorgehen des Gesetzgebers verfassungskonform ist, wird von manchen Seiten angezweifelt – auch wenn die Rechtslage nicht so eindeutig ist, wie von vielen behauptet.

Ein naheliegendes Argument für eine Verfassungswidrigkeit dieser Gesetzgebung ist der Gleichheitssatz, der einfach ausgedrückt besagt, dass der Gesetzgeber gleiches gleich (und ungleiches ungleich) behandeln muss, weswegen für jede Ungleichbehandlung von Normunterworfenen (die „vor dem Gesetz gleich“ sind) eine sachliche Rechtfertigung gegeben sein muss. Ausgehend davon lässt sich argumentieren, dass für die Ungleichbehandlung von Betrieben betreffend den Zuspruch von Entschädigungen, die auf Basis des Epidemiegesetzes geschlossen wurden und Betrieben, die auf Basis der Verordnungen gemäß des COVID-19-Maßnahmengesetzes faktische Umsatzeinbußen erleiden, keine sachliche Rechtfertigung besteht.

Auch könnte man unter Berufung auf den Vertrauensgrundsatz argumentieren, dass faktisch von Unternehmen im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage (z.B. den Anspruch auf Entschädigungen nach dem Epidemiegesetz) getroffene Dispositionen (etwa, eine bestimmte Versicherung, die Bezug auf Krankheitsfälle im Sinne des Epidemiegesetzes nimmt, nicht abzuschließen) einen gewissen Schutz genießen und nicht ohne weiteres ohne Übergangsfristen „ausgehebelt“ werden dürfen

Freilich lassen sich auch für die Verfassungskonformität des Vorgehens Argumente formulieren: dem Gesetzgeber kommt hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung von gesetzlichen Bestimmungen ein Ermessensspielraum zu. Weiters ist die Tatsache, dass Entschädigungszahlungen für eine große Menge an geschlossenen Betrieben den Staatshaushalt erheblich belastet hätten, wohl auch eine sachliche Rechtfertigung dafür, in Bezug auf die Covid-19-Pandemie spezielle Regelungen vorzusehen. Auch könnte man (unseres Erachtens aber unzutreffend) das Argument formulieren, dass das Epidemiegesetz gerade nicht im Hinblick auf eine Situation wie die derzeitige geschaffen wurde (sondern nur für den Fall der räumlich beschränkten Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten) und eine Pandemie wie die Coronakrise besondere gesetzliche Regelungen erfordert.[7]

Auch werden sehr wenige Unternehmen konkrete Dispositionen gerade auf der Grundlage des Epidemiegesetzes getroffen haben – dieses Gesetz führte bis vor einigen Monaten ein Schattendasein und wurde von Unternehmen (mangels praktischer Relevanz) kaum beachtet. Die bloße Erwartung, dass die bisherige Rechtslage bestehen bleibt, ist auch verfassungsrechtlich, so die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, nicht besonders geschützt.[8]

III. Mögliches Vorgehen für Unternehmer

Für Unternehmer, die sich die Möglichkeit erhalten wollen, eine Entschädigung nach dem Epidemiegesetz zu erhalten (auch wenn die tatsächlichen Chancen solcher Anträge derzeit schwer abzuschätzen sind) ist erste Wahl zunächst das Einbringen eines Antrages nach § 32 Epidemiegesetz. Nach derzeitiger Rechtslage haben nämlich nur (natürliche oder juristische) Personen, die tatsächlich einen Antrag nach § 32  Epidemiegesetz stellen und den Instanzenzug beschreiten, – im Falle der Aufhebung jener Bestimmungen, die dazu dienen, Ansprüche nach § 32 Epidemiegesetz auszuhebeln – eine theoretische Chance darauf, dass eine Aufhebung von relevanten Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof ihnen zugutekommt (die sogenannte „Ergreiferprämie“).

In manchen Fällen könnte unabhängig davon von Unternehmen argumentiert werden, dass bestimmte Umsatzeinbußen nicht ausschließlich auf die Verordnungen auf Basis des Covid-19-Maßnahmengesetzes zurückzuführen sind, sondern auf andere Beschränkungen, welche auf Basis des Epidemiegesetz verhängt wurden (z. B. „Absonderungen“ gemäß §§ 7 oder 17 Epidemiegesetz, „Verkehrsbeschränkungen für die Bewohner bestimmter Ortschaften“ gemäß § 24 Epidemiegesetz). Deswegen, so die rechtliche Argumentation, stünden Entschädigungen nach dem Epidemiegesetz zu.

Man wird aus praktischen Gesichtspunkten (wenn gerade keine Maßnahme auf Basis des Epidemiegesetzes vorliegt) ausgehend von der Aufhebung der entsprechenden Teile der Verordnungen auf Basis des Covid-19-Maßnahmengesetzes, die zu Umsatzeinbußen geführt haben, die Antragsfrist berechnen müssen, also etwa ab dem 13.04.2020, mit dem das Einkaufen in bestimmten Geschäften wieder gestattet wurde[9] oder ab einem späteren Zeitpunkt, mit dem das Betreten von Beherbergungsbetrieben und Betriebsstätten des Gastgewerbes wieder gestattet wird.

Das Epidemiegesetz sieht für Entschädigungsanträge eine vergleichsweise kurze Frist von 6 Wochen vor, binnen derer Ansprüche auf Entschädigung nach dem Epidemiegesetz zu stellen sind. Diese Frist beginnt mit dem Tage „der Aufhebung der behördlichen Maßnahme“. Einzubringen sind derartige Anträge nach § 33 Epidemiegesetz bei den Bezirksverwaltungsbehörden. Sie müssen binnen der genannten Frist bei der zuständigen Behörde einlangen.

Ob eine Gesetzesaufhebung durch den Verfassungsgerichtshof tatsächlich letztendlich zu einer erfolgreichen Geltendmachung von Ansprüchen führt, ist aber fraglich: für bloßes „legislatives Unrecht“ ist grundsätzlich kein Ersatzanspruch vorgesehen. Auch ist insbesondere die Höhe einer Entschädigung nach dem Epidemiegesetz nur im Einzelfall zu bemessen.

Das wesentlichste Argument gegen die Annahme, man könne auf Basis des Epidemiegesetzes hohe Entschädigungen erstreiten, ist aber wohl, dass jene Schäden, die den österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmern aufgrund der Coronakrise entstanden sind, auch dann eingetreten wären, wenn die  Betriebsschließungen, in welcher Rechtsform auch immer, nicht verfügt worden wären. Ob diese Schäden, die durch - vereinfacht gesagt - das Virus selbst, und nicht durch behördliche Anordnungen verursacht wurden, zugesprochen werden, ist mehr als fraglich.

 

Wir sind gerne dazu bereit, Sie bei der Lösung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Coronakrise zu unterstützen, und Ihnen bei der Durchsetzung von Ansprüchen zu helfen. Wir verfolgen dabei die Interessen unserer Klienten nicht im Rahmen von Massenverfahren oder sogenannten Sammelklagen, sondern ausschließlich im Rahmen individueller Beratung. Der Grund dafür ist, dass unserer Erfahrung nach jeder Fall – in allenfalls entscheidenden Details – anders gelagert ist. Jeder Anspruch bedarf einer gesonderten Prüfung, einer Prüfung, die wir bei der Durchsetzung vieler gleichartiger (aber eben nicht gleicher!) Ansprüche nicht durchführen können.


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Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss

 

[1] Epidemiegesetz 1950, BGBl 186/1950 idF I 23/2020.

[2] Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der die Verordnung betreffend die Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen bei Auftreten von Infektionen mit SARS-CoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus“) erlassen und die Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 26. Juni 1957 über die Beförderung von Personen, die mit übertragbaren Krankheiten behaftet oder solcher Krankheiten verdächtig sind, geändert wird, BGBl II 74/2020.

[3] Vgl dazu etwa die Verordnung KB-KAT-23/22-2020 vom 13.03.2020 der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel.

[4] Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) und ein Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz) erlassen sowie das Gesetzliche Budgetprovisorium 2020, das Bundesfinanzrahmengesetz 2019 bis 2022, das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden (COVID-19 Gesetz), BGBl. I Nr. 12/2020.

[5] Diese Formulierung könnte man dahingehend auslegen, dass nunmehr auch gar keine individuellen Betriebsschließungen auf Basis des Epidemiegesetzes möglich sind, was aber in Widerspruch mit dem nächsten Absatz stehen könnte, wonach „die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950“ unberührt bleiben.

[6] Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020 idF 151/2020.

[7] Tatsächlich definiert das Epidemiegesetz weder die Begriffe „Epidemie“ und „Pandemie“, sondern bezieht sich grundsätzlich nur auf das Auftreten bestimmter Krankheiten – es finden sich im Epidemiegesetz selbst also keine Hinweise darauf, dass das Epidemiegesetz „nur“ für lokale Epidemien ausgelegt wäre. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber selbst mittlerweile spezielle auf COVID-19 zugeschnittene Bestimmungen in das Epidemiegesetz aufgenommen (vgl § 3a).

[8] VfSlg 16.687/2002, 19.637/2012.

[9] Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der die Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 geändert wird, BGBl II 151/2020.